Erste Erkenntnis auf dem Weg zur S-Bahn: 18 kg im Rucksack gingen ja noch, aber 23 kg sind echt grenzwertig für einen Leichtgewichts-Sesselpupser wie mich. Nach nicht mal 500 Metern krampft mein linker Oberschenkel und ich kann mich gerade noch in den Kiosk retten, wo ich meine letzte Großpackung Zigaretten für 10 Euro erstehe. Die kurze Stehpause lässt mein Bein so weit regenerieren, dass ich bis zur Bahnstation komme. Na das kann ja heiter werden. Ich nehme den Aufzug.

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Vorbereitungen

Eine Tour nächstes Jahr auf eine einsame / unbewohnte Insel in Schweden mit einem Kajak. Welche Insel es genau sein könnte, weiß ich noch nicht. Aber ich hätte Bock. Sieben Tage nur mit dem allernötigsten, unterm Tarp.

mein hirn

So hat es angefangen, im November 2023. Aber dann hat sich das Unterbewusstsein gemeldet und mir mitgeteilt, dass ich diese Tour nutzen könnte, um endlich mit dem Rauchen aufzuhören. Erst dachte ich an Mai 2024, aber das wären ja noch über sechs Monate bis dahin. Also lieber im März.

Die Priorität verschiebt sich von „mit so wenig Ausrüstung wie möglich“ auf „durchhalten ist das wichtigste“ und damit beginnt der Ausrüstungswahn…

Zuerst begebe ich mich auf die Suche nach einem passenden See. Er soll aufgrund der Temperatur so südlich wie möglich liegen, aber dennoch abgeschieden genug für mein Vorhaben sein.

Fündig werde ich nach etwas Sucherei nördlich von Kristianstad. Der Immeln ist gut erreichbar und im März sollte der See nicht mehr zugefroren sein. Die Saison hat dann noch nicht begonnen, ebensowenig wie die Brutzeit. Wahrscheinlich habe ich dort größtenteils meine Ruhe und ich kann auf viele verschiedene Inseln ausweichen. Dem Jedermannsrecht ist also Genüge getan, ich gammle nicht sieben Tage am selben Ort herum. Und sollte er doch zugefroren sein, bietet die Umgebung genügend Übernachtungsplätze in der Natur. Wir werden sehen, ob ich eine gute Wahl getroffen habe.

Ein Kajak zu leihen habe ich dann recht schnell verworfen und mich nach passenden Alternativen umgesehen. Ein Nortik Scubi ist toll, aber immer noch zu schwer für dieses Vorhaben. Außerdem reißt es ein dickes Loch in den Geldbeutel. Also ein günstiges Packraft. Für die kurzen Wege auf dem See sollte das ausreichen. Da die Temperaturen um den Gefrierpunkt liegen können, habe ich noch einen Trockenanzug eingeplant. Auch wenn ich nicht damit rechne ins Wasser zu fallen, so wäre es fatal wenn es dennoch geschieht. Der Immeln ist tief und außer ein paar Ferienhäusern ist da nichts drumherum.

Statt einem Tarp wähle ich ein Zelt (Hexpeak v4a) und dazu ein Innenzelt von 3fulgear. Da ich einen Daunenschlafsack nutze, brauche ich eine gute, trockene Behausung. Das Tarp schleppe ich aber dennoch mit. Als Unterstand für Holz und damit ich bei Regenwetter nicht die ganze Zeit im Zelt versacken muss.

Die Verpflegung ist vor allem kalorienreich. NRG-5, ein paar Tortillawraps, Erdnussbutter, Cashewkerne, Sahnepulver, kleine Hartwürste, Schokolade, Kaffee, Tee, Brühwürfel und etwas Salz. Falls ich einen Fisch fangen sollte, ist das ein schöner Bonus, die benötigte Angelkarte habe ich bereits im Vorfeld auf ifiske erstanden. Im Gepäck habe ich etwas Schnur, ein paar Bleie, Vorfachhaken und Spinner. Außerdem habe ich noch eine kombinierte Abhakzange / -schere mit, um wenigstens einigermaßen waidgerecht handeln zu können.

Für die Wasseraufbereitung kommt der Buff als Grobfilter und Mikropur Forte zum Einsatz. Abgefüllt wird in zwei PET Flaschen, die ich aufgrund der Einwirkzeit der Entkeimungstabletten wechselweise nutzen werde. Kochen werde ich auf meinem Hobo, da ich nicht auch noch Brennstoff mitschleppen will. Außerdem sorgt das Holzsammeln und vorbereiten für Kurzweil. Etwas Paracord, ein kleines Beil, eine Klappsäge und mein Mora helfen bei Bastelarbeiten.

Das erste Hilfe Set ist eher spärlich. Autan gegen Mücken und Zecken (insbesondere letztere haben mir in Schweden schon übel mitgespielt), eine Pinzette, eine Nadel, ein Verbandspäckchen, richtig gute Pflaster aus dem Fachhandel, Ibuprofen gegen Entzugskopfschmerzen.

Als Kleidung habe ich eine dünne Hose mit abzippbaren Hosenbeinen, eine gefütterte Jagdhose, eine Regenjacke, einen Fleecepulli, zwei langärmliche Merinoshirts und eine lange Merinounterhose dabei. Außerdem zwei Paar Merinosocken. Die Schuhe sind recht günstige Stiefel von Decathlon, mit denen ich bislang gute Erfahrungen gemacht habe. Ein Paar Paddelschuhe sorgen dafür, dass ich ohne nachzudenken im Wasser herumwaten kann beim ein- und aussteigen. Paddel und Schwimmweste sind ein Kompromiss aus Preis und Gewicht.

Die Kameraausrüstung ist recht umfangreich, aber dabei gar nicht so schwer. Neben einigen Powerbanks habe ich meine Sony ZVE-10 dabei, eine Rollei Actioncam, eine DJI-Mini 2 Drohne sowie diversen Kleinkram wie Ministativ, Akkus, Speicherkarten und eine kleine SSD-Festplatte.

Das alles muss irgendwie in meinen Deuter 50+10 reinpassen. Zu diesem Zweck erweitere ich ihn mit Seitentaschen, die habe ich noch herumfliegen und sie passen perfekt.

Die Anreise erfolgt per ÖPNV. Zuerst mit dem Intercity bis nach Kopenhagen, von da aus mit der Öresundbahn weiter bis nach Kristianstad. Dort übernachte ich in einem Hotel und am nächsten Morgen geht es früh mit dem Bus nach Arkelstorp. Dann muss ich noch knappe 10 km laufen, bis ich an der gewählten Einsetzstelle am See ankomme. Da ich meinen Handyakku schonen will, sind Karte und Kompass mit im Gepäck.

Meine erste Etappe der Anreise führt mich nach Kopenhagen. Der Eurocity dorthin fährt aufgrund von Bauarbeiten jedoch nicht vom Hamburger Hauptbahnhof, sondern von der Weltstadt Pinneberg. Die Fahrt mit der S-Bahn dauert etwa 50 Minuten.

Das alles ist so gut geplant, da kann ja gar nix mehr schiefgehen. Was man sich halt so denkt. Zufrieden lehne ich mich zurück und freue mich auf den März.

Donnerstag, 21.03.2024 – Anreise nach Kristianstad

Nachdem ich meinen Rucksack in die S-Bahn gewuchtet habe, steigt die Vorfreude wieder. In Pinneberg treffe ich einen guten Freund, der mit einem Kaffee am Bahnhof auf mich wartet um mich zu verabschieden. Danke Hauke!

Der Eurocity fährt relativ pünktlich ab und die Passkontrolle an der dänischen Grenze dauert lediglich 10 Minuten. Insgesamt verläuft die Fahrt reibungslos und ich komme nach fünf Stunden in Kopenhagen an. Einen dänischen Hot-Dog später steige ich in den Öresundståg, der mich über den Öresund nach Schweden und direkt weiter bis nach Kristianstad bringen wird. Dort angekommen, checke ich in mein Hotelzimmer ein, esse zu Abend und trinke noch ein schwedisches Bier in der Hotelbar. Morgen wird es ernst.

Freitag, 22.03.2024 – Die letzte Kippe

Ich hatte sehr üppig zu Abend gegessen, darum lasse ich das Frühstück aus. Ich trinke einen kalten Kaffee aus der Dose, packe zwei Müsliriegel ein, die ich gestern noch gekauft habe und begebe mich zur Bushaltestelle. Der Bus bringt mich in 30 Minuten nach Arkelstorp. Dort steige ich aus und begebe mich direkt auf den Weg zum See. Vor mir liegen etwa 10 km Weg auf einer kleinen Landstraße und einem Waldweg, stetig leicht ansteigend. Der Verkehr hält sich glücklicherweise in Grenzen, die meisten Pendler sind bereits auf ihren Arbeitsstellen angekommen.

Ich laufe stellenweise nur 300 Meter und verschnaufe dann einige Sekunden. Der Rucksack ist vom Gewicht genauso überfordert wie ich. Das Tragesystem gerät an seine Grenzen. Ständig wechsle ich zwischen Hüftbelastung und Schulterbelastung, um mich einigermaßen vorwärts zu quälen. Nach knapp drei Stunden und zwei längeren Pausen biege ich auf den Waldweg ein, der das letzte Stück der Anreise markiert. Schließlich stehe ich mitten im Wald, wo der Weg endet. Ich muss mir auf den letzten 500 Metern einen Pfad zum Rand des Sees suchen. Schnell wird klar, dass ich in einem sehr sumpfigen und unwegsamen Terrain voller Windbruch unterwegs bin. Dennoch gelingt es mir, mit trockenen Füßen eine gute Stelle zum Einsetzen des Bootes zu finden. Für diese letzten 500m quer durch den Wald benötige ich eine weitere halbe Stunde.

Es beginnt zu regnen. Ich pumpe das Packraft auf und binde mein Gepäck darauf fest. All meine Ausrüstung steckt in einem großen wasserdichten Packsack, der den gesamten Rucksack ausfüllt. Die Schuhe wandern in den Pumpsack des Bootes. Trockenanzug, Paddelschuhe und Schwimmweste sind bei 3 Grad Wassertemperatur mitunter überlebenswichtig. Ein Paddle Leash sorgt dafür, dass ich mein Paddel auf dem Wasser nicht verlieren kann.

Ich fummle eine Zigarette aus der Schachtel und zünde sie an. Meine letzte Zigarette. Alle anderen zerbrösele ich an Ort und Stelle und sie landen, mit etwas Erde zur Unkenntlichkeit vermischt, in meiner Mülltüte. Das war es dann also.

Nun muss ich noch ca. 500 Meter gegen den Wind und gegen die Wellen zur ersten Insel paddeln. Ich habe keine Ahnung, wo genau ich dort am besten anlanden kann, aber erstmal muss ich dort ankommen. Dann kann ich an der Küste entlang paddeln und nach einem guten Spot Ausschau halten.

Der Fußweg steckt mir noch in den Knochen und die Energie der zwei Müsliriegel schafft es gerade noch, mich zur Insel zu tragen. Ich umfahre zwei kleine Landzungen und finde rasch eine gute Stelle um anzulanden. Es ist circa 14:00 Uhr. In viereinhalb Stunden wird die Sonne untergehen. Ich muss einen Lagerplatz finden, Zelt und Tarp aufbauen, eine Feuerstelle einrichten und einigermaßen trockenes Holz für den Hobokocher auftreiben.

Zwischendurch gibt es immer wieder kleine Regenschauer, so dass ich zuerst das Zelt aufbaue, um meine Ausrüstung ins Trockene zu bringen. Direkt danach spanne ich mein Tarp zwischen zwei Bäumen ab, damit ich dort Feuerholz lagern kann. Die Suche danach gestaltet sich schwierig. Es ist wirklich alles durchweicht. Die Landschaft ist unwegsam und von Windbruch mit sumpfig-feuchten Abschnitten durchzogen. Selbst Äste, die an umgefallenen Bäumen frei abstehen, sind größtenteils durchweicht, bemoost und morsch.

Hinzu kommt: Die Insel wurde bereits in den Jahren zuvor stark von Kanufahrern frequentiert. In direkter Nähe meines Lagers finde ich daher so gut wie kein brauchbares Holz mehr. Da ich zum Aufwärmen und für die Psyche jedoch unbedingt einen heißen Kaffee genießen will, suche ich leidlich trockenes Material und schaffe es mit Mühe, einen halben Liter Wasser zum Kochen zu bringen.

Ich fülle mir zwei Liter Seewasser in zwei PET Flaschen ab und versetze sie mit Micropur. Das Wasser ist etwas braun-trüb, aber nicht so stark, als dass ich es vorfiltern müsste. Soll das Micropur eben etwas länger einwirken.

Nach dem Kaffee richte ich meine Schlafstätte ein und dann geht auch schon die Sonne unter. Ich knabbere ein paar Cashewkerne, esse einen Tortilla Wrap mit Erdnußbutter und sinniere vor mich hin. Wirklich toll fühlt sich das alles gerade nicht an. Zumindest spüre ich noch kein Verlangen nach Zigaretten und bin auch nicht gereizt. Dass ich mich über das nasse Holz und die Schwierigkeiten beim Feuer entfachen aufrege, entspricht meinem grundsätzlichen Naturell – ob mit oder ohne Kippen.

Der Tag war lang und ich sinke recht früh in den Schlafsack. Langeweile, das Wetter in Verbindung mit der Erschöpfung und leichte Entzugserscheinungen lassen mich etwas zweifeln. Oder besser gesagt hoffen, dass es nicht so weitergeht und ich die Woche schnell hinter mich bringe.

Die Nacht ist durchwachsen. Der Boden ist doch etwas uneben. Gegen vier Uhr wache ich mit Kopf- und Halsschmerzen auf. Aber irgendwie schaffe ich es, mich einigermaßen zu erholen.

Samstag, 23.03.2024 – Was mache ich hier eigentlich?

Um Punkt 7:00 Uhr werde ich endgültig wach. Die einige Stunden zuvor eingeworfene Schmerztablette zeigt ihre Wirkung. Die Kopfschmerzen sind weg, ebenso wie die Halsschmerzen. Vor etwa 18 Stunden habe ich meine letzte Zigarette geraucht. Ich wende mich umgehend dem Abenteuer des Kaffeekochens zu. Mit dem hastig gesammelten Material qualmt der Hobokocher mehr als das er brennt und ich brauche viel Geduld und Puste, bis ich endlich mein Heißgetränk in den Händen halte.

Warum habe ich dämlicher Idiot keinen Gaskocher mitgenommen? Das würde vieles vereinfachen. Ich spiele mit dem Gedanken, mein Essen kalt zu verzehren, verwerfe ihn aber wieder. Das würde meine Stimmung ja auch nicht heben, im Gegenteil.

Stattdessen beschließe ich, Kleinholz in den abnehmbaren Seitentaschen meines Rucksacks zu sammeln, um mir einen Vorrat für den Kocher anzulegen. Dabei verstreicht die Zeit und ich lerne das Umfeld des Lagerplatzes besser kennen. Und tatsächlich finde ich einen umgestürzten Baum, in dessen Nähe das Holz trockener ist. Damit ist das Lagerfeuer für heute Abend gesichert! Der Baum liegt zwar einige hundert Meter entfernt vom Zelt, aber der Weg dorthin ist gut zu laufen.

Ganz im Gegensatz zur anderen Seite der Insel. Dort versperrt mir direkt am Wasser eine große Wurzel den Weg und landeinwärts liegen die Bäume kreuz und quer, so als hätten zwei Riesen eine Runde Mikado gespielt. Auch sind sie stark bemoost und allesamt total glitschig und morsch. Dort hineinzugehen bringt vorerst nichts. Ich bin zwar neugierig, aber habe andere Prioritäten – ich habe Hunger.

Vor der besagten Wurzel am Wasser entdecke ich einen zweiten Lagerplatz, der anscheinend vor wenigen Monaten genutzt wurde. An der Feuerstelle liegen, etwas geschützt, kleine gespaltene Anmachhölzchen, die augenscheinlich eigentlich für einen Kamin gedacht waren. Es ist wirklich unglaublich: Sie liegen allesamt auf dem Boden, teilweise etwas vergraben, aber im Kern sind sie trocken und fest. Mit einem Schlag ist eine Seitentasche mit fingerdickem Holz gefüllt und meine Stimmung hat sich merklich gehoben.

Unterwegs finde ich immer wieder frische Losung. Der Boden ist an vielen Stellen aufgewühlt, es gibt anscheinend eine recht große Wildschweinpopulation auf der Insel.

Ich befülle den Kocher mit Holz und koche etwas Wasser auf. Es funktioniert etwas besser, aber nicht so gut wie erhofft. Ich schiebe es diesmal nicht mehr nur aufs Holz, sondern auch auf meine Unfähigkeit. Vielleicht bediene ich den Kocher nicht richtig?

Aus dem Wasser, NRG-5, Sahnepulver, Schokolade und Erdnussbutter rühre ich mir eine Pampe zusammen, die gar nicht mal so schlecht schmeckt. Aber es ist eigentlich zu viel. Ich zwinge mir alles hinein und bin erstmals seit Donnerstag wieder so richtig satt.

Während ich mit vollem Wanst vor mich hin sinniere, beginnt der Wind aufzufrischen und kurze Zeit später geht ein kurzer Graupelschauer auf mich nieder. Inmitten all der angeschlagenen Bäume fühlt sich das laute Rauschen des Windes gar nicht gut an.

Und wie ich so umherlaufe, immer mit Blick nach oben, da entdecke ich ihn: Einen hohen, schrägen Baum, der nur noch von einem seiner Kollegen gehalten wird und sich bedrohlich in Richtung meines Zeltes neigt. Da habe ich letzte Nacht drin geschlafen… mir wird augenblicklich ein wenig mulmig zumute. Ich beschließe, so bald wie möglich mit dem Zelt an eine andere Stelle zu ziehen. Wie konnte ich diesen Witwenmacher nur übersehen? Ich habe schlicht nicht daran gedacht. Ich war froh über eine einigermaßen ebene und trockene Stelle für das Zelt und habe mir darüber keine weiteren Gedanken gemacht.

Als Wind und Graupel nachlassen, packe ich alles aus dem Zelt unter das Tarp und baue das Zelt ab. Ich ziehe an die Stelle, an der ich ursprünglich angelandet bin. Dort gibt es nur wenige, eher niedrige Bäume und ihr Zustand ist viel besser. Das Tarp und die Feuerstelle belasse ich vorerst am alten Ort. Der ständige Regen drückt auf meine Stimmung, ich weiß nichts mit mir anzufangen.

Langsam beginnt es zu dämmern. Ich entzünde mein erstes Lagerfeuer und kauere mich vor die Feuerstelle. Allerdings habe ich keinerlei Schutz und so wird es ein zugiger und ungemütlicher Abend. Lediglich ein Tee spendet etwas Wärme und ein Tortilla Wrap füllt mir den Magen leidlich auf. Meine Motivation sinkt auf den Nullpunkt. Ich friere, mir ist langweilig und in meiner Verzweiflung texte ich meine Frau über Whatsapp zu. Ein wenig Zuspruch kann jetzt sicher nicht schaden. Nachdem ich mich im Selbstmitleid gesuhlt habe und das Feuer aus ist, verziehe ich mich ins Zelt und lese dort noch einige Zeilen in einem E-Book über den Pacific Crest Trail.

Der gestrige Tag steckt mir immer noch in den Knochen und so schlafe ich wieder relativ früh ein. Auch in dieser Nacht wache ich mit Kopfschmerzen auf, allerdings sind sie bedeutend schwächer. Ein erster Lichtblick. Die körperlichen Entzugserscheinungen nehmen ab.

Sonntag, 24.03.2024 – Endlich angekommen

Es regnet. Mal wieder, immer noch und ständig. Eigentlich wollte ich heute auf eine kleine Nachbarinsel fahren und diese in Augenschein nehmen. Nachdem ich mir einen Kaffee zubereitet habe und mein Blick auf die Wellen des Immeln schweift, verwerfe ich diesen Plan fürs Erste. Vielleicht klappt es ja morgen. Immerhin lässt der Regen nach.

Stattdessen beschließe ich, einen Spaziergang über die Insel zu machen und mich durch den Windbruch zu arbeiten. Allzu weit komme ich jedoch nicht. Vor mir fällt die Insel ab und das Tal liegt voll mit morschen Baumstämmen. Das wird mir zu haarig und wirkt zu instabil auf mich. Ich kehre um und versuche mein Glück über die andere Inselseite.

Immer am Wasser entlang und durch einen jungen Birkenwald gelange ich schließlich an einen weiteren, alten Lagerplatz. Allerdings hält die Insel ansonsten keine besonderen Überraschungen bereit und es beginnt abermals zu regnen. Ich begebe mich auf den Rückweg.

Der Spaziergang hat die Lebensgeister etwas geweckt. Generell fühle ich mich heute wesentlich besser als gestern und habe mehr Energie. Ich suche zwei passende, stabile Äste und stelle das Tarp direkt an die Feuerstelle. Nun habe ich ein gemütliches “Wohnzimmer”. Eine große Steinplatte dient mir als Tisch und der Birkenstamm ist bald trocken genug, um bequem auf ihm zu sitzen. Endlich muss ich bei Regenwetter nicht mehr im Zelt vor mich hinvegetieren, sondern kann mich etwas freier bewegen.

Ich setze mir direkt noch einen Kaffee auf. Der Hobo befindet sich nun auf dem Tisch in angenehmer Höhe und die Zubereitung des Kaffees ist erheblich einfacher. Was solche kleinen Dinge doch ausmachen!

Als das Wetter für kurze Zeit etwas stabiler ist, kann ich die Drohne steigen lassen und einige Aufnahmen machen. Erstmals sehe ich die Insel aus der Luft. Sie wirkt viel zugänglicher als sie in der Realität ist. All die kleinen Unebenheiten erscheinen aus der Luft wie weggebügelt.

Ich mache mir etwas zu essen und schnitze einen Löffel. Zumindest versuche ich es, es ist nicht ganz einfach mit dem klobigen Mora Robust. Prompt schneide ich mich, weil ich zu ungeduldig werde. Aber das kann mir die Stimmung nicht vermiesen. Heute fühle ich mich wohl und bin endlich angekommen.

Mit Beginn der Dämmerung entzünde ich ein Lagerfeuer. Ich mache mir einen Tee und verbringe gemütliche Stunden trocken und warm unterm Tarp. So lässt es sich aushalten!

Diesmal zieht es mich erst gegen 23:00 Uhr ins Bett. Und Junge, wie sehr freue ich mich auf den morgigen Tag. Gestern hatte ich noch mit dem Gedanken gespielt, die ganze Aktion abzubrechen. Das ist nun ganz sicher keine Option mehr. Ich vermisse die Zigaretten eigentlich gar nicht mehr.

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