Lagerleben

Dienstag, 03.09.2024

Gestern bin ich nach dem Abendessen recht früh in den Schlafsack gekrochen. Irgendwann wache ich auf, friere ein wenig und lausche. Der Mitpaddler hat in der Hütte einen einzigen trockenen Flecken gefunden. Unsere Tonnen mit Essen stehen mittig davor auf dem Platz. Ich liege im klammen Zelt und denke über Bären nach. 

Ob ich mich im Falle eines Falles wohl so verhalten würde, wie es in den Lehrbüchern steht? 

An zwei Bäumen am Platz gab es Kratzspuren. Ein paar Haare klebten auch noch dran. Allerdings war die Massage des Bären schon länger her. Die Jagderfahrung des anderen Kanuten und seine Flinte beruhigen mich zusätzlich.

Gegen sechs Uhr erwache ich nochmals. Es dämmert. Als ich mir nach einem Kaffee mein Müslifrühstück genehmige, regt sich auch der andere Kanute. Er ist deutlich geübter als ich und steht nach kurzer Zeit abfahrbereit am Wasser. Die Zeit mit ihm war sehr herzlich, kurzweilig und angenehm ungezwungen. Von nun an werden wir uns auf dieser Tour wohl nicht mehr begegnen. Wir wünschen uns eine gute Reise.

Die Eichhörnchen haben ordentlich abgesahnt.

Ich hänge mein Zelt in die Sonne, an den hölzernen Turm. Das Solarpanel lädt meine Kameraakkus und mein Handy. Ich backe in Butter vier Pfannenbrote für die nächsten Tage. Es schmeckt durch die Butter unglaublich lecker und ich muss mich nach einigen Bissen zurückhalten. Zutaten: Mehl, Salz, Backpulver, Wasser.

Bild 1: Bei solchen Lichtverhältnissen gab es immerhin noch 0,4 Ampere Ladestrom. Die Sonne schien aber auch mehrfach an diesem Tag und dann hat es sich richtig gelohnt, mit 2 bis 3 Ampere Ladestrom.
Bild 2: Brot als Beilage für die nächsten zwei Tage.
Bild 3: Die Ausbeute aus 250 – 300 Gramm Mehl.

Außerdem mache ich viel zu wenig Fotos. Dafür filme ich etwas mehr und lasse die Drohne steigen. Für den Reisebericht kommen daher auch Ausschnitte aus der kommenden Dokumentation zum Einsatz. Ich kraxle auf den Vorratsturm und mache ein Selfie. Der Tag ist wechselhaft und bringt immer wieder einen Mix aus leichten Regenschauern und Sonne. Aber das Zelt ist knochentrocken und wesentlich sauberer als zuvor. Ich umhülle das eingerollte Innenzelt in einen von zwei Müllbeuteln, die ich dabei habe. Zuhause sah die Müllbeutelrolle dicker aus. Aber so kann ich jederzeit ein trockenes Innenzelt zusammen mit einem feuchten Außenzelt in den wasserdichten Zeltsack stecken. Das ist es mir wert.

Man muss halt mal raufklettern. Drin lagern keine Vorräte, sondern ein Eimer mit Nägeln.

Blick auf den nördlichen Big Salmon Lake und die Big Salmon Range.

Die Hütte von oben.

Die Fenster der Hütte sind verrammelt. Es ist zappenduster, ohne Stirnlampe geht gar nix. Dann finde ich allerlei Dinge. Den urigen Ofen, ein Bett, ein Tisch mitsamt Bänken, eine Mausefalle. Und ein Portrait von Franz Six.

Das Dach hat schon bessere Zeiten gesehen, was Probleme bereitet. Ansonsten ist sie erstaunlich gut in Schuss.

Dieser Knubbel fungiert als Verriegelung.

Ascheklappe hamwa nich. Aber macht ordentlich warm.

Franz Six

Die Inneneinrichtung fügt sich in den Charme des ganzen.

Da hat jemand mitgedacht.

Der Österreicher hat diese Hütte in den späten 1980ern mit Erlaubnis der Ureinwohner wieder aufgebaut, um sich dort mit zwei Freunden auf eine außergewöhnliche Unternehmung vorzubereiten. Ihnen sollte gelingen, woran die Royal Canadian Mounted Police gescheitert ist: Die Durchquerung des Yukon Gebiets und der Mackenzie Mountains per Hundeschlitten. In acht Monaten legten die Abenteurer 1800 Kilometer zurück.

Wer mehr darüber wissen möchte, dem empfehle ich das Buch “Einsames Ziel Yukon” von Franz Six und Andreas Hutter. Leider ist Franz Six 1993 bei einem Lawinenunglück ums Leben gekommen. Ein Kreuz an der Hütte erinnert an ihn.

Ich blättere im alten Gästebuch von 1993 und beschließe, noch eine Nacht zu bleiben.

Schließlich ist es Zeit für den Spatengang. Hinter dem Anwesen gibt es einen Donnerbalken mitten im Wald, den ich aufsuche. Was für ein Luxus! Ein Eichhörnchen meckert mich sofort vorwurfsvoll an.

Herr Doktor, bei dem Foto bekomme ich immer ganz heftiges Fernweh.

Wieder zurück im Camp wandert mein Blick zum See. Am Ausfluss des Big Salmon Lake kreuzt seit einiger Zeit ein kleines Angelboot mit Motor herum und der Insasse versucht sein Glück. Gegen die Sonne kann ich nur seine Umrisse erkennen. Schade, das wollte ich eigentlich noch machen. Ich tröste mich mit den kommenden 200 Kilometern auf dem Fluss, bei denen ich sicher noch die ein oder andere Gelegenheit erhalten werde. Mir ist etwas schleierhaft, wie das kleine Motorboot des Anglers auf den Big Salmon Lake gekommen ist. Vielleicht wurde es einst per Wasserflugzeug hierher gebracht und liegt im Schuppen bei der vorherigen Hütte. Oder er ist tatsächlich durch den sehr flachen Abfluss des Quiet Lake gekommen. Er kennt die Route besser als ich.

Zum Donnerbalken? Hinten links!

Ich genieße die Sonnenstrahlen und wandere etwas umher, allerdings sind die umliegenden Wälder sehr feucht und unwegsam. Die Landschaft ist eher sumpfig. Am liegenden Totholz sind sogar die Äste durchfeuchtet, obwohl sie in die Luft ragen. Nach einer Weile habe ich dennoch etwas Feuerholz gesammelt.

Blick auf den Big Salmon Lake. Links fließt der Caribou Creek hinein, rechts fließt der Big Salmon River heraus.

Zum Abendessen gibt es wieder Trekkingnahrung. Auf der Packung steht “Spiced Chicken Curry”, aber das ist eine Lüge. In Wahrheit schmeckt der Inhalt wie die muffig-würzige Inneneinrichtung eines gut gereiften 1974er VW Golf. Leider ein Reinfall. Ich denke an das Chicken Curry meiner Frau und sende ihr die zweite Nachricht des Tages über Satellit.

Das Vordach war größtenteils dicht und ein perfekter Platz für einen Kaffee und um die Ausrüstung auszubreiten.

Der Tag neigt sich dem Ende, morgen soll es endlich auf den Big Salmon River gehen.

Ein wenig Bammel habe ich davor schon. Oder zumindest gehörigen Respekt.

Wie eine riesige Python schlängelt sich der Big Salmon River in Richtung Norden. Da geht’s ab morgen lang.

Tagesdistanz: 0 km
Gesamtdistanz: 
Verbleibende Distanz: 271 km
Anzahl Resttage: 9
Nötiger Tagesdurchschnitt: 30 km

Weiter zu Teil 5

Zu diesem Reisebericht gibt es einen zweiteiligen, abendfüllenden Dokumentationsfilm:

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