How much is the fish?
Donnerstag, 05.09.2024
Es regnet. Schon seit Beginn der Tour regnet es zuverlässig in jeder Nacht. Aber immer wenn ich aufstehe, regnet es nicht. Ein Hauch von Chuck Norris umfließt mich, während ich mir einen Kaffee in einer kleinen Nische aus Stämmen und Sträuchern an der Innenseite des trockenen Altarms zubereite.
Aber Chuck Norris würde sein Wort halten und zuerst dieses blöde Kanu über den kleinen Anstieg ziehen, ehe er sich seinen Kaffee genehmigt.
In meinen Gedanken malte ich mir bereits einen Flaschenzug aus, in der Realität lupfe ich den Kanadier überraschend leicht die Böschung hoch und ziehe ihn über einen festen, glatten Waldboden. Auf der anderen Seite geht es wieder zum Wasser hinunter. Das schafft er von alleine.

Ein paar mal rucken und das Boot war oben.
Es ist kalt, der Wind zerrt die Wärme vom Körper. Außerdem ist das Zelt mal wieder nass. Zusammen mit dem Sand ergibt das eine Art Scheuermilch, die an allen Gegenständen hängen bleibt. Die vielen Quarzsplitter bringen meine Handschuhe zum glänzen, als wären sie in Glitzer getaucht worden.
Ich warte, bis das Kondenswasser von meinem Schlafsack gewichen ist. Inzwischen trage ich mein Zeug zum Kanu ans Wasser und frühstücke etwas Brot mit Erdnussbutter, Käse und Wurst.

Die Einsetzstelle hinter dem Logjam.

Da geht’s lang. Das sind doch schöne Aussichten.
Der Fluss erinnert mich an diesem Tag zuerst an eine etwas zu groß geratene Lahn. Gemächlich fließt er eingebettet zwischen der Big Salmon Range und den Pelly Mountains dahin. Als ich um eine Kurve treibe, steht auf der rechten Seite eine Elchkuh. Sie schaut mich an, ich schaue sie an. Ich drehe hektisch das Kanu und paddle auf die linke Seite ans Ufer. Hinter mir höre ich ein Rascheln. Als ich mich umdrehe, ist die Elchkuh weg. Langsam taste ich mich an der Stelle vorbei, an der sie eben noch stand. Für ein Foto oder eine Videoaufnahme ging alles leider viel zu schnell.

Gemächliches paddeln durch stilles Wasser.
Wolfsspuren konnte ich allerdings mittlerweile mehrfach ablichten. Bei einer Pinkelpause oder beim Wasserholen treffe ich am ehesten auf sie. Das Wasser ist so klar, dass ich den Filter gar nicht mehr nutze. Entweder koche ich es ab, oder ich werfe eine Micropur Tablette hinein.

Frische Wolfsspuren.

Wie aus dem Wasserhahn.
Der Tag wird zäh. Es herrscht weiterhin kaum Strömung und dazu gesellt sich nun übler Gegenwind. Ich packe das Kanu mehrfach um, bis ich wirklich zufrieden bin. Es bleibt eine mühselige Angelegenheit, auch wenn ich beim Paddeln nun nicht mehr so stark korrigieren muss. Als ein kleiner Fluss in den Big Salmon River mündet, beschließe ich zu angeln. Ich brauche eine Pause. Zubereiten kann ich einen Fang ja auch später.
Ich wähle einen kleinen, silbernen, unscheinbaren Spinner aus der Köderkiste, wie ein zweier Mepps, nur etwas schmaler. Nach fünf Würfen habe ich eine stattliche Äsche am Haken. Ich freue mich wie ein kleines Kind, versorge den Fisch und binde ihn ans Kanu. So bleibt er frisch, bis ich dazu komme, ihn auszunehmen.

Die perfekte Portion!
Zurück auf dem Wasser komme ich bald an einer weiteren Flussmündung vorbei. Es juckt in den Fingern, aber erstens will ich Strecke machen und zweitens habe ich ja schon eine Äsche. Bald darauf wird das Wasser fordernder.
Auf einmal bin ich zurück auf der Landstraße. Der Strom zieht mich mit, überall kleine Wellen und wo die sind, sind die Felsen oft nicht fern. Die Flusskarte kennzeichnet diese heiklen Stellen recht gut, die Augen muss man allerdings selbst offen halten. Ein, zwei mal war es zu knapp für meinen Geschmack. Ich muss mich stellenweise hart ins Zeug legen, weil ich Felsen im Wasser nicht rechtzeitig gesehen habe. Charakteristisch sind die “Bugwellen”, die ein solcher Brocken hinterlässt, selbst wenn er knapp unter der Wasseroberfläche lauert. Aber erkenn’ diese Wellen inmitten vieler weiterer mal bei Gegenlicht!

Strömung mit bis zu 8 km pro Stunde, Wellen, viel Holz…

…und Felsen. Hier erkennt man ihn schön, kurz vor der Welle, dicht unter der Wasseroberfläche. Hebelt ein solcher Kamerad das Kanu aus, ist man schnell gekentert.
An einer Kiesbank überzeuge ich mich, dass der verdammte Fisch noch da ist. Er scheint die Strapazen gut zu überstehen und baumelt an seiner Schnur. Mittlerweile habe ich mir eine schlaue Lösung ausgeguckt: In einem bald kommenden Camp kann ich die Äsche ausnehmen. 500 Meter weiter befindet sich laut Flusskarte ein weiteres Camp, in dem ich übernachte.
An einer langgezogenen Sandbank kommt mir eine Idee. Ich sehe ein Kehrwasser, in das ich einschwenken will. Es gelingt nicht. Nachdem ich ins flache Wasser gesprungen bin, ziehe ich das Kanu stromaufwärts auf die Sandbank. Die Kamera wird postiert und es geht weiter stromaufwärts, wo ich wieder ins Boot steige. Auf dem Video wirke ich betont entspannt, als ich die Linse passiere. In Wahrheit verfehle ich erneut das Kehrwasser, bevor ich meine Kamera wieder einsammle. Der verdammte Fisch ist immer noch da, er hängt geduldig an seiner Schnur im Wasser.
Der verdammte Fisch ist weg.
Ich bin im ersten Camp und er ist weg, verdammt noch mal. Den nächsten esse ich gleich oder stecke ihn ausgenommen ins Fass. Etwas angefressen fahre ich zum nächsten Camp weiter, in dem ich übernachten will. Und ich finde es nicht. Die 500 Meter sind lange vorbei, ich muss die Flusskarte umblättern. Das nächste Camp wäre am Moose Creek. Dieses Lager wurde mir empfohlen und ich beschließe, dort zu übernachten. Den Creek werde ich wohl kaum übersehen.

Fisch weg. Im Hintergrund hat der Wald laut gelacht.

Die Landschaft entschädigt für die eigene Dummheit.
Es erwartet mich ein erhöhtes, bewaldetes Stück auf einer Kiesbank. Sie liegt direkt hinter der Mündung des Moose Creek. Ein Eichhörnchen meckert mich sofort vorwurfsvoll an. Hinter der Kiesbank fließt der Moose Creek bei Hochwasser hindurch oder hat dies zumindest mal getan. Ein breiter Sandstreifen trennt die Kiesbank vom Rest der Landschaft. Dort kommt die Tonne hin. Bei der Feuerstelle baue ich mein Zelt und mein Tarp auf. So habe ich stets einen trockenen Flecken zum packen und sitzen. Morgen früh werde ich angeln, genau hier am Creek.

Am Moose Creek.

Das Portal zur Flussmündung.

Mit einer Abkürzung über die Kiesbank fließt der Moose Creek in den Big Salmon River und beschert mir Feuerholz.

Erhöhtes Camp mit gutem Boden.

Mein Tarp dient als „Schuppen“ und Sitzplatz.
Trotz der zähen Bedingungen zu Beginn des Tages habe ich heute 35 Kilometer zurückgelegt. Insgesamt sind es nun 78 Kilometer. Bleiben 222 Kilometer in sieben Tagen, das sind fast 32 Kilometer pro Tag. Ich werde ein bisschen ackern müssen, aber es erscheint weiterhin machbar. Ich bin damit ganz zufrieden. Das ist eben der Preis für meinen Hüttenaufenthalt. Zum Abendessen gibt es “Pepper beef with rice” und ich habe schon besser gegessen. Ein totaler Reinfall ist es aber auch nicht.

Die Distanztabelle. Endlich ist der nötige Tagesdurchschnitt mal etwas gesunken, anstatt immer weiter zu steigen.

Die Tonne wird von Tag zu Tag leichter…

…und unordentlicher.
Tagesdistanz: 35 km
Gesamtdistanz: 78
Verbleibende Distanz: 222 km
Anzahl Resttage: 7
Nötiger Tagesdurchschnitt: 32 km
Weiter zu Teil 7
Zu diesem Reisebericht gibt es einen zweiteiligen, abendfüllenden Dokumentationsfilm:
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